Jede Woche verleihen wir ihn neu: den Silberling der Woche. Unter zig frischen Silberlingen, die jede Woche auf den Markt kommen, auserwählt nach einem bestimmten Regelwerk. Zum Silberling kann ein Album nur in der Woche der Veröffentlichung werden oder eine Woche davor oder danach. Bei der Auswahl achten wir auf die „gesunde“ Mischung. Jeder Style ist möglich. Der „Nachwuchs“ kommt ebenso zum Zuge wie die „Großen“. Im Westen ist der Silberling seit Herbst 2001 tägliches Programmelement bei den CampusRadios NRW und den PartnerRadios.
Bei Courtney Barnett hat man eigentlich den Eindruck, dass sie schon seit Ewigkeiten Teil der Musikbranche ist. Dabei hat Barnett mit ihren gerade mal zwei EPs und einem Longplayer musikalisch um einiges weniger zu verzeichnen, als es für alteingesessene Ikonen üblich ist. Vielleicht ist es ihre raue, leicht genervt klingende Stimme, oder auch die freche Attitüde, die in ihren Songs immer wieder durchkommen und einem den Eindruck vermitteln, als wisse die 30-Jährige ganz genau, wo der Hase lang läuft. Vier Jahre nach der Erscheinung ihres Debütalbums Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit meldet sich Barnett mit ihrem zweiten Album Tell Me How You Really Feel zurück, und lässt die vergangenen Jahre Revue passieren.
Dabei scheint es in dem eröffnenden Song Hopefulness zunächst so, als ob es Courtney Barnett nach ihrem sehr erfolgreichen Debüt überhaupt nicht gut ergangen sei. Das Klangbild in Hopefulness ist düster und melancholisch. Dabei lallt Barnett eine Zeile nach der anderen dahin, als ob sie garnicht bewusst bei der Sache wäre. Hinzukommen Gitarrenklänge, die den utopischen Charakter des ersten Songs auf Tell Me How You Really Feel zusätzlich unterstreichen. Zum Ende hin erreicht die Stimmung in Hopefulness ihren Tiefpunkt: noisige Gitarrenriffs verbinden sich mit dem Klang eines auf dem Herd kochenden Wasserkessels, der genauso ermüdet klingt, wie die Australierin selbst.
Es macht den Anschein, als ob der Druck des Kritikerlieblings Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit immer noch auf Courtney Barnett lastet. Doch schon der zweite Song auf der LP reißt die Stimmung wieder nach oben. Mit seiner rhythmischen Melodie und den energetischen Gitarrenslacks schlägt Barnett in City Looks Pretty eine poppige, nahezu folkig anmutende Richtung ein. Dabei ist City Looks Pretty keine Rarität auf Tell Me How You Really Feel, denn auch Charity erweist sich als leichter Song, der sich perfekt in die sommerliche Stimmung einpasst und zum Mitwippen einlädt. Mit Sunday Roast findet die zweite Platte der Sängerin nach knapp 31 Minuten seinen krönenden Abschluss. Der letzte Song auf Tell Me How You Really Feel lässt mit seinen treibenden Gitarren und dem unaufgeregten Gesang Barnett’s, die bedrückende Stimmung vom Anfang vergessen.
I’m Not Your Mother, I’m Not Your Bitch gleicht wiederum einer Revolte der Sängerin. Der 1:50 Minuten lange Song schlägt eine grungigere Richtung ein als der Rest des Albums. Bis auf einige wenige Momente besteht der Song textlich aus der titelgebenden Passage „I’m Not Your Mother, I’m Not Your Bitch“, die aus Barnett raussprudelt und durch den Klang einer reißerischen Gitarre untermalt wird. Im Vergleich dazu klingt Walkin’ on Eggshells, der genauso gut in Zusammenarbeit mit Kurt Vile entstanden sein könnte, im positiven Sinne einschläfernd.
Tell Me How You Really Feel ist ein selbstreflexives Album, auf dem sich Courtney Barnett mit Emotionen und ihrer Umwelt auseinandersetzt. Auch wenn die Songs auf ihrem zweiten Album größtenteils fröhlich wirken, so schwingt auf einer Metaebene eine gewisse Verunsicherung, die auf den Erfolg ihres Debüts und den damit verbundenen Leistungsdruck zurückzuführen ist. Dies zeigt sich auch in Songtiteln wie Need a Little Time, Help Your Self, Crippling Self Doubt and a General Lack of Self Confidence. Auf Tell Me How You Really Feel hat man den Eindruck, die Sängerin verarbeite eine schmerzliche Trennung, wovon, bleibt aber bis zuletzt unklar. Vielleicht sind es die Selbstzweifel, von denen sich Courtney Barnett auf Tell Me How You Really Feel metaphorisch frei gemacht hat.
(Isabela Przywara, CT das radio)