Jahrzehntelang haben uns die Briten vorgemacht, wie Hype geht: Zeitschriftentitelbilder, Fernsehauftritte, das große Warten auf das Album. Seit ein paar Jahren geht das alles auch in Deutschland, Feuilleton inklusive. Nur: Tomte kann das ziemlich egal sein. Ihre treuen Fans haben sie schon länger; das Album, auf das alle warten, ist bereits ihr viertes. Trotzdem ist die kurze Deutschlandtour vor Veröffentlichung natürlich ausverkauft, trotzdem singen die meisten Leute schon jetzt alle Texte mit.
Doch vor Tomte kommen erst mal Rogue Wave aus Amerika. Die passen mit ihren Songs irgendwo zwischen Death Cab For Cutie und den Weakerthans genau in den Klangkosmos von Thees Uhlmann und seinen Freunden. Anrührend sind ihre Lieder, herzlich ist die Reaktion des Publikums. Und als beim finalen Lied Tomte in Komplettbesetzung dazustoßen, klingt es nicht mehr nur wie bei Arcade Fire, die Bühne ist auch genauso voll.
Dann aber alle wieder runter von den Brettern, die die Welt bedeuten, und warten auf den Hauptact, die Band der Stunde (ich sag mal so: Musikexpress, VISIONS, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Polylux, wirklich jede Regionalzeitung ...). Bevor die inzwischen fünf Herren "Von Gott verbrüht" anstimmen, hat Thees Uhlmann schon wieder mehr geredet als Rogue Wave während ihres ganzen Sets. Als zweiter Song wird dann gleich mal die aktuelle Single "Ich sang die ganze Zeit von dir" von der Leine gelassen und spätestens jetzt ist das Publikum voll und ganz dabei.
Was folgt, ist eine Mischung aus alten und neuen Songs, und immer wieder diese langen Ansagen, die bei vielen Musikern vermutlich nervig wären, bei Thees Uhlmann aber immer noch völlig sympathisch rüberkommen. Die Band hat sichtlich Freude an dem, was da um sie rum passiert. Vor allem Dennis Becker und Olli Koch kommen aus dem Grinsen kaum heraus. Und spätestens als die Zuschauer im Zugabenblock noch Zeugen der Geburt eines neuen Songs werden (wobei "Olli, Olli, trink Bier" vermutlich eher nicht auf dem fünften Tomte-Album vertreten sein wird), ist allen klar, dass dies ein ganz besonderer Abend ist.
Als Thees Uhlmann nach der letzten Zugabe "Die Schönheit der Chance" zurück auf die Bühne kommt und 1000 Kehlen immer wieder deren Refrain wiederholen, ist er sichtlich ergriffen und hängt ganz alleine "Das war ich" dran. Scheißegal, ob Tomte bei TRL vor kreischenden Teenies auftreten, egal, ob sie jetzt auch von der eigenen Cousine gehört werden, die sonst nur Charts hört. Eigentlich noch nicht mal egal: man gönnt es ihnen und wünscht ihnen noch so viel mehr davon. (Lukas Heinser, CT das radio)