Konzertschau

Rainer Maria - Münster, Gleis 22
10. Dezember 2005

Eine Frau schreit. Und das so unglaublich gefühlvoll und schön, dass man gleichzeitig schweigend starren und laut tanzen und singen will.

Rainer Maria sind zum ersten Mal in Europa. Die Show im Gleis ist die zweite in Deutschland. Und der Laden ist voll. Dabei sind es alle vier bisherigen Alben der Wahlnewyorker in Deutschland nur als Import zu haben und kommt das neue Werk "Catastrophy Keeps Us Together" erst Ende März 2006 heraus. Doch ob alte oder neue Songs - das Publikum ist hin und weg und dabei ganz nah dran an diesen drei Menschen, die auf so seltsame Weise nach viel mehr klingen.

"Artificial Light", der Titelsong "Catastrophy" und das Lieblingslied "Life Of Leisure" vom neuen Album, "Burn", "CT Catholic", "The Double Life", "Tinfoil", "Ears Ring". Alles ist dabei, nur "Mystery And Misery" fehlt irgendwie.

Rainer Maria sind eine dieser Bands, die live und auf Platte auf sehr verschiedene Weise sehr groß sind. Die poetischen Texte von Caithlin De Marrais versteht man selbst beim sonst so perfekten Gleis-Sound kaum, wenn man sie nicht kennt; dafür ist ihre Stimme umso eindringlicher. Vor allem, wenn bei älteren Songs Kyle Fischer auch ans Mikro tritt und die beiden abwechselnd und zusammen singen und schreien und beide die erste Stimme und die Backups sind und von kraftvoller Ungleichzeitigkeit plötzlich in eingespielte große Hooklines fallen und ausbrechen. William Kuehn am Schlagzeug ist dabei auf der niedrigen Bühne kaum zu sehen und obwohl die Band seit ihrem Anfang vor über zehn Jahren in dieser Konstellation zusammen spielt und Kuehn und Fischer schon vorher beide Mitglieder von Ezra Pound waren, bleibt auch bei Rainer Maria der Mann an den Drums im Hintergrund, während sich Bassistin und Gitarrist die Bälle und Blicke und Gesten zuspielen, die einen kaum glauben lassen, dass die beiden kein Paar mehr sind.

Auch die Ansagen von Fischer täuschen zunächst. Denn hier hat kein Ami zwei deutsche Sätze im Suff gelernt und reproduziert sie nun allabendlich auf der Bühne, um den ein oder anderen Lacher zu ernten. Kyle hat ein ganzes Jahr in Deutschland und die Hälfte davon ganz in der Nähe in Osnabrück verbracht und spricht nahezu perfekt deutsch. Umso verwunderlicher, dass es so lange gedauert hat, die Band auf hiesige Bühnen zu holen.

Doch dieser eine Abend macht alles wett und holt alle verpassten Jahre auf. Wenn jemals eine Band in keine Schublade passte, dann diese hier. Indie-Emo-Poeten-Slowcore, den zuletzt Coheed and Cambria als Support mit auf Tour genommen haben, der kleine Mädchen zum Mitschreien, das Thrasher Magazine fast zum gerührten Weinen und harte Jungs auch unbetrunken zum Tanzen bringt.

Nach einem denkwürdigen Konzert inklusive Zugabe haben Rainer Maria wieder ein paar Fans mehr. Auf welchem Label das neue Album nun nach dem Split mit Polyvinyl erscheinen und ob es auch in Deutschland zu bekommen sein wird, erfahren auch die erst in rund zwei Wochen, wenn die Tinte unter den Verträgen trocken ist. Solange wird der Merchandise-Stand um einige komplette Diskographien in CD-Form erleichtert und sich darauf gefreut, die Texte von "Catastrophy Keeps Us Together" ab März dann auch endlich mitsingen zu können. (Britta Helm, Radio Q)

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