Konzertschau

It’s A Musical, Klez.e, Seabear u.a.- Berlin, Admiralspalast
8. Oktober 2008

Die Entscheidung zugunsten des Mikrokultur-Festivals für den Abend des Popkomm-Donnerstag ist eine der leichteren Sorte. Mikrokultur, eine erst vor 5 Jahren im Kleinen gegründete Booking-Agentur, hat sich Zeit ihres Bestehens bereits einen beachtlichen Namen in der Indie-Szene gemacht. Das feine Gespür für tolle Live-Künstler zeigte sich bisher von Tipps wie The Album Leaf oder Blonde Redhead, bis zu Größen wie etwa Arcade Fire. Und ähnlich verheißungsvoll ließt sich auch die Mischung für den heutigen Abend, Geheimtipps und Indie-Größen.

Als wir gegen acht den Admiralspalast erreichen, scheint Parterre bereits alles für eine exklusive Party hergerichtet zu sein. Der rote Teppich kündet von Glanz und Glamour. Selbstverständlich führt der Weg für gemeine Indie-Jünger jedoch an ihm vorbei, in den Aufzug und ins Obergeschoss. Dort angekommen fällt dann aber doch ein bisschen Glanz ab, wirkt die Begrüßung nicht minder exklusiv, als solche, die der später gesichtete Robert Stadlober im Erdgeschoss erfahren haben dürfte. Jeder Gast wird mit einer stylischen Tasche des hiesigen „Heimatladens“, wahlweise gefüllt mit schicken Postern, bunten Aufklebern oder sogar T-Shirts. Am anderen Ende des Flurs ist der sympathische Berliner Shop auch noch mit einem Stand vertreten, sodass sich alle Anwesenden ausrechnen können, dass ihre Tasche plus Inhalt durchaus seinen Wert hat. Es geht nett zu. Irgendwie familiär. Klar, alles hier schreit „Indie“, die Jungens in den Röhrenjeans, die Mädels in den schwedischen 60s-Kleidern, beide Geschlechter immer wieder auch mit knalligen Stirnbändern, doch im Grunde ist es einfach bunt und nett anzuschauen. Das hier ist kein Zielgruppenkonzert, aber man weiß dann doch sehr sicher, in welcher Gesellschaft man sich befindet.

Musikalisch geht es ähnlich bunt zu, jedoch wesentlich übergreifender. Die nette Aufmachung lässt glatt vergessen, dass die Musik bereits seit über einer Stunde auf sich warten lässt. Dann machen It’s A Musical den Anfang. Ihre kleinen, süßen Popideechen zwingen zu sofortiger Sympathie für die schüchternen Weltverbesserer. Auch wenn das im ersten Echo recht reduziert daherkommt, erkennt das geschulte Ohr schon Bald das bunte Repertoire, beginnend bei Schifferklavier-Synthies und klappernden Drums, bis hin zum Chorgesang mit gewinnendem Lächeln gibt es reichlich zu entdecken. Bei den anschließenden Bodies Of Work aus London wird der Pop nicht länger in Watte und Plüsch gehüllt, sondern erhält vielmehr ein ziemlich ernsthaftes Gewand. Energisch verausgaben sich alle Bandmitglieder beim erfolgreichen Versuch, etwas Bewegung in die noch eher lückenhaften Reihen vor der Bühne zu bringen. Die zweite noch ziemlich unbekannte Band, die man sich besser merken sollte. Ein Blick auf die Uhr macht klar, dass sich der Zeitplan nicht mehr wird einholen lassen. Für angenehme Unterhaltung in den Pausen sorgt das junge Berliner Gitarren-Duo A Golden Pony Boy, lediglich dezent unterstützt von einem kleinen Gitarrenverstärker.

Ter Haar, wieder Berlin, ist die dritte Hauptband des Abends und verzettelt sich erstaunlicher Weise nicht ein einziges Mal beim Versuch At The Drive-In den Post-Rock zu erklären. Großartiges Schlagzeugspiel, spannende Motive, Geschwindigkeit und zahlreiche Wendungen sind genug gute Argumente, Lieder zu spielen, die fast ohne Gesang auskommen. Die folgenden Klez.e sind wohl die erste etwas bekanntere Band. Für den deutschsprachigen Indie sind Klez.e insofern wichtig, als dass es jenseits der Hamburger Schule kaum deutschsprachige Bands gibt, die melancholischen Pop in solch interessante Bahnen entführen. Auf der Bühne bisweilen sogar leicht melodramatisch, wird hier auch mal erfrischend unpeinlich um die Ecke gedacht. Um die Ecke, vielmehr um-denken müssen auch die Veranstalter. Die Zeit drängt, doch auf Borko oder Seabear will hier natürlich niemand verzichten. Als Borko + Band, es mögen bereits Elementarteilchen von Seabear gewesen sein, nach einer guten Viertelstunde die Zelte wieder abbrechen, ist man zwar um 15 schöne, ehrliche Folk-Minuten reicher, aber eben auch um die traurige Erkenntnis, dass für Seabear nicht viel mehr an Zeit bleiben wird. Zeit für „Arms“ bleibt. Trotzdem kann man sich also nur kurz in ihrem traurig-schönen Nadelwald aufhalten, bevor euphorische Chöre und Trommeln wieder hinausgeleiten, freundlich und offensichtlich bemüht, aber eben doch viel zu früh. Auch wenn mittlerweile die Müdigkeit wirkt, so wirkt doch auch dieses Tröpfchen Wermut. Es ist bereits nach drei Uhr als der bunte Abend sein Ende erreicht. Im Erdgeschoss ist der rote Teppich noch ausgerollt. Für soviel Tapferkeit lassen wir uns es nicht nehmen, diesmal den Weg der Privilegierten zu beschreiten.(Sven Riehle, eldoradio*)

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