Konzertschau

Herre, Max - Köln, Gloria
23. Mai 2004

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The Return of the Max

„A.N.N.A. – Ich dreh die Zeit nicht mehr zurück“ singt Max und das ist auch gut so. Die Ära Freundeskreis scheint mit dem kommenden Soloalbum und den Gigs der nächsten Monate endgültig beendet zu sein. Klar wird man da sentimental und ich erinnere mich noch gut an das abenteuerliche Kolchose-Interview, das ich 1997 (oder 1998?) mit Max, Sekou und Wasi von den Massiven Tönen im Mannheimer McDonalds führen konnte. Innovativer HipHop aus Stuttgart füllte plötzlich Hallen, A.N.N.A. stürmte langsam aber sicher die Charts und ein MC namens Afrob stand in Karottenjeans auf der Bühne, rappte was das Zeug hielt, um die Jungs zu unterstützen – realer HipHop ohne Allüren.

2004 – die Realität hat uns wieder. Während DJ Friction praktisch ein Album nach dem anderen produziert, war es lange still um das ehemalige FK-Mastermind. Vater von zwei Jungs ist der mittlerweile 31jährige geworden, aber von der Musik hat er deshalb nicht abgelassen, ganz im Gegenteil. Was Max auf der Bühne präsentiert, klingt wie ein akribisch geplanter Schlag gegen alles, was derzeit in Deutschland unter der Bezeichnung HipHop veröffentlicht wird und immer mehr langweilt. Hier macht einer Tabularasa auf die gewohnt besonnene Art, nicht mit aggressiven Texten, sondern mit Soul, Reggae, Rock. Die Basis ist zwar immer noch HipHop, aber in einer selten erfrischenden Weise.

Und gleich beim zweiten Song merke ich, was ich lange Zeit vermisst haben. Was Max in „Der King vom Prenzlauerberg“ verarbeitet, spricht vielen aus dem Herzen, die die gleiche Beobachtung machen konnten. Mit viel Soul in der Stimme und gewohnt subtilen Lyrics wird über die Aufsteiger der Boom-Branchen gerappt, die sich plötzlich mit dem schmutzigen Charme der Big Bad City Berlin schmücken, obwohl sie erst ein paar Monate dort wohnen. Satte Rhodes-Klänge von Keyboarder Lillo Scrimali und die Backgroundstimmen von Celina Bostic und Fetsum Sebhat ermöglichen eine Reise zurück in die 70er und schließlich greift der Meister persönlich auch noch in die Tasten. Hier steht plötzlich wieder die Musik auf gleicher Stufe wie die Texte und trotzdem ist es HipHop.

Aber es kommt noch besser. Max wird während des Konzerts vom Soul Guerillero zum aggressiven Retro-Rocker, verabschiedet damit seine Ex endgültig, nur um direkt danach mit der Akustikgitarre um den Hals zum Vorstadt-Bob Dylan zu mutieren. Und schließlich werden – um die ständigen ANNA-Zwischenrufer zufrieden zu stellen – auch noch ein paar alte FK-Songs ins Repertoire geholt. „Ich musste erst mal wieder reinfinden“ erklärt er dem Publikum zum Tourauftakt. „Das ist wie ein Backflash“. Aber ein schöner, denn nie klangen Songs wie „Esperanto“ oder „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ besser als an diesem Abend. Wie auf die Band zugeschneidert erscheint mir die Musik, ich mache kurz die Augen zu und wünsche mir, dass Don Philippe wieder am E-Piano sitzt. Aber es funktioniert nicht, denn dass wir nicht mehr 1997 schreiben, das macht Max auch dem Rest des Publikums am Ende des Konzerts unmissverständlich klar. „HipHop ist auch nur ein Symbol dafür, was in Deutschland momentan abgeht: Hier kämpft jeder gegen jeden.“ 2004 – die Realität hat uns wieder.

(Dominik Jozic, hochschulradio)

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