Konzertschau

Gonzales - Köln, Stadtgarten
19. April 2008

Dieser Mann ist zu allem im Stande. Als Egomane in einer Band spielen, sie wie Dreck behandeln und trotzdem von ihr gemocht werden, dafür zunächst vom Publikum ausgebuht werden und sich einige Zeit später von selbigem auf den Schultern tragen lassen. Nebenbei Ost- und Westdeutschland wiedervereinigen, komplizierte Experimente mit dem Publikum durchführen, von ihm selbst auf Deutsch vorgetragene vernichtende Kritiken zu seinem neuen Album (mit, zugegeben zerknirschtem, Humor nehmen) und ohnehin neben seinem allseits bekannten virtuosem Klavierspiel seinem Publikum ein außerordentlich lustiges Konzert darbieten.

Aber der Reihe nach. Pünktlich um 22 h begann nämlich Gonzales am vergleichsweise warmen Sonntagabend des 20. April im Kölner Stadtgarten sein letztes Konzert auf der Durchreise durch Deutschland. Begleitet wurde er von einem gewissen „Le Together Ensemble“. Vorher war schon durchgesickert, dass sich es hierbei um seine kanadische Clique handeln könnte, und so ging das Gerücht um, dass sich vielleicht Mocky, vielleicht sogar Feist oder Peaches bei diesem Konzert die Ehre geben könnten. Letztere beiden kamen zwar leider nicht, tatsächlich aber bediente Mocky beim Le Together Ensemble das Drumset, während die Gitarrenpop-Chanteuse Katie Moore sowie Soulsänger Matthew Flowers für Percussion und Gitarrenunterstützung sowie Backingvocals sorgten. Statt einer Bassgitarre sorgte Balkan-Hiphopper Socalled neben seinen Rap-Einlagen für wummernden Sound über den Synthesizer. Gonzales selbst hatte sich natürlich einen, allerdings schon ziemlich ramponierten, Flügel auf die Bühne stellen lassen, den er dann im Verlauf des Abends, bei einem Anflug von Größenwahn, nicht nur als Musikinstrument, sondern auch als Sprungbrett zu bedienen wusste.

Das Konzert begann solide und nach und nach fing der zunächst tatsächlich nervös erscheinende Gonzales mit seinem Publikum zu kommunizieren, um mit seinen oft fast schon komödiantischen Einlagen das Eis zu brechen. Schon nach dem ersten Lied fragte Gonzales stolz sein Publikum, was es denn davon halte, dass der geniale, böse Einzelgänger von einst nun auch nur Teil einer Band sei, was das Publikum mit einem klatschenden Beifall guthieß. Doch schon bald fing der geniale Wahnsinnige in ihm hervorzutreten: „What do you think the people paid money for? Whose name is on the tour poster?“ fragte Gonzo seine Mitmusiker respektlos. “They didn’t come here to see you guys, you’re just a bunch of Canadians, making some easy money tonight.“ Das nächste Lied wurde angestimmt und schon bald hielt es den exzentrischen „One-Eyed-Jew“ nicht mehr auf der Bühne - und er badete ein erstes Mal in der Menge. Unterdessen ließ er es sich dennoch nicht nehmen, seine Band immer weiter fertig zu machen: „Hey guys, play it faster, this sound like on a cruise ship.”. Und auch das Publikum bekam sein Fett weg: “Do you know this song?” „No..?“ „Okay, fuck you.“ Und weiter gings. Doch lange ließen sich die Jungs und das Mädel des Le Together Ensembles das nicht mehr gefallen. Die ersten Buhrufe im Publikum wurden hörbar und auch die Band zweifelte immer mehr an ihrem Maestro, so dass sich einer nach dem anderen beleidigt von der Bühne verabschiedete.
Die klassische Situation à la „Ich brauch euch eh nicht!“ für den exzentrischen Solisten Gonzales ward erschaffen. Da saß er nun, allein auf der Bühne vor seinem Flügel, von nur einem Spotlight angestrahlt, und gab melancholische Solostücke von sich. Das Publikum war, dank dieser Einlagen, gebannt und gespannt, was als nächstes passieren würde. Nach einem zweiten Solostück begann Gonzales zu sinnieren, warum das immer wieder geschehe, schämte sich und gestand, dass er die anderen vermisse. Nach einigen Momenten des Schweigens begab sich Katie Moore zurück auf die Bühne und erklärte ihm in einem abermals wahnwitzigen Dialog, warum er nicht böse sein könne und gleichzeitig von anderen erwarten könne, geliebt zu werden. Beide schlossen schnell Frieden, und mit der Zeit wurde aus ihrem versöhnlichen Duett wieder der Auftritt eines eingeschworenen Kollektivs, denn es kamen langsam alle wieder zurück auf die Bühne und bald war alles wieder vergessen, was vorher war. So waren natürlich die besten Voraussetzungen gegeben für die erste Singleauskopplung des neuen Albums „Soft Power“: das zwar äußerst cheesige, aber durch seine satirische Wirkung wieder lustig wirkende „Working Together“. Alle in der Halle waren wieder frohen Herzens, sogar die Band zeigte sich, wie lieb sie sich hat, indem sie sich gegenseitig fallen ließen und wieder auffingen und daraufhin wie ein Haufen kleiner aufgeregter Schulkinder auf der Bühne rumtollte.

Kurz vor Schluss nahm sich Gonzo auch für die Presse Zeit und las auf Deutsch die Rezensionen zu seinem neuen Album aus dem Kölner Stadtanzeiger, der Welt am Sonntag und dem Intro, die allesamt einerseits vernichtend, andererseits aber auch alle erfunden waren. Nach dem schon zwei Mal Schluss war und die Band für eine weitere Zugabe auf die Bühne des Stadtgartens zurückkehrte, nahm Gonzales dann sein zweites Bad in der Menge und ließ sich ausgiebig feiern. Socalled folgte ihm und hielt die Momente für die Ewigkeit auf seiner Digitalkamera fest. Gonzo machte Fotos mit seinen Fans, posierte übertrieben für jeden, der wollte, einer trug ihn sogar auf seinen Schultern, was vielen Hobbyfilmern tolle und amüsante Bilder verschaffte.
So ging dann mehr oder weniger das gesamte, größtenteils inszenierte, Showprogramm des Konzerts amüsant zu Ende. Gespickt mit einer schier unendlichen Fülle an Zitaten und Witzen, die das aktuelle Geschehen um Gonzales’ Person und sein Werk persiflierten. Oder eben auch nicht. Und schon ließ der Entdecker der Sängerin Feist ein nächstes Mal seine Spitzen los: „Do you know that canadian chick called Feist? I made her, out of nothing, out of air, with my own hands! And I can do one more if I want to!” (Patrick Cavaleiro, hochschulradio düsseldorf)

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