Konzertschau

Goldie Lookin Chain / Puppetmastaz - Köln, Gebäude 9
16. November 2004

Oh Mann, ein langer Weg von Köln-City bis zum Gebäude 9. „Ihr müsst in Deutz aussteigen, dann immer die Deutz-Mülheimer rauf und dann links rein in die 127.“ So einfach also! Na dann aufi auf Berg. 123, 125, 127 hier links? Ganz schön schäbiger Innenhof hier... Aber auf dem sehr noblen Schild am Eingang steht unter anderem: Gebäude 9, Party und Konzerte. Das scheint richtig, also auf ins Abenteuer. Ein alter Industriehof, Pfützen, wenig Licht. Wenn jetzt gleich der Underground-Schuppen aus dem Nebel auftaucht, bin ich völlig weg. Alles klar: Hier können Puppetmastaz und Goldie Lookin Chain was erleben!

So eigenwillig wie der Weg ist fängt auch das Konzert von den Puppetmastaz an. Auf der Bühne steht eine große Puppenbühne!? Vorne auf dem Stoff ist eine Figur hinter dem Schriftzug „Puppetmastaz“ zu erkennen, die aussieht, als wenn sie dem Film „Gangs of New York“ (Bill the Butcher) entsprungen wäre und sich dann mit Snoop Dogg gekreuzt hat.

Ein Beat beginnt das Konzert und über der Bühne taucht ein...e Puppe auf! Jetzt ist der Obermacker mit der Mütze doppelt zu sehen, einmal auf dem Transparent und einmal darüber.
Der Kerl zögert gar nicht lange, sondern fängt sofort an einzuheizen. Leider fallen seine Versuche nicht auf sehr nahrhaften Boden. Der Zuschauerraum ist nicht gerade über alle Maße gefüllt, für 200-300 Personen wäre sicherlich Platz, aber es sind nur rund 50 Hopper vor Ort. Sehr schade! Denn die Idee der Hip Hop-Puppenshow ist ziemlich gelungen und auch gut umgesetzt. Bei Bill the Butcher bleibt es nämlich nicht - ein gutes Dutzend verschiedener Puppen tauchen während der Show auf, kommunizieren und rappen miteinander. Auch wenn der Sound nicht wunderbar ist und man nicht viel versteht, heizen die Berliner uns mit ihrer amerikanischen Show gut ein.

Wie die Personen hinter der Bühne jetzt genau mit den Puppen gewerkelt und gleichzeitig gerappt haben, habe ich leider nicht herausgefunden. Aber viele Thesen bleiben bei genauerer Überlegung nicht bestehen. Die höchste Wahrscheinlichkeit besteht bei viel Übung, denn die Puppen bewegten gleichzeitig mit dem Text ihre Münder, sprich: derjenige, der die Puppen bewegte, musste den kompletten Text auswendig können. Respekt!

Eine Show-Einlage ab vom musikalischen Zentrum bietet ein Tanzwettbewerb. Drei Charaktere treten in unterschiedlichen Disziplinen gegeneinander an: Erst bounct der Technohase in seiner orangenen Trainingsjacke zu technoiden Beats. Es groovt! 5 Punkte von der Jury. Dann die Rockerpuppe: langweilig, aber auch 5 Punkte.
Jetzt der Bill the Butcher-Verschnitt. Aber was ist das? Kein Beat mehr sondern Getramp... ähntschuldigung, Gesteppe aus den Boxen. Der Obermacker geht voll drauf ab und gewinnt! Oh, doch nicht, 2 Punkte für ihn. Das kann er aber nicht auf sich sitzen lassen: Hinter die Bühne und Hand angelegt, zwar nicht an sich selbst aber an die Jury. Mit einer selbstgeflickten Tafel kommt er zurück: 10 Punkte für sich selbst. Mit dieser Nummer konnten die Pupeptmastaz Sympathien des Publikums für sich gewinnen. Leider ging der Gig damit auch schon dem Ende zu. Auch gut: Goldkettchen warten auf die Crowd, oder so...

Noch schnell mal im Publikum abgecheckt wie bekannt die Jungs hier in Deutschland sind und was von der Show erwartet wird. Philipp hatte erst vor zwei Stunden von dem Konzert erfahren und war sofort Feuer und Flamme, packte seine Freundin ein und fuhr los. Keine Frage, sie konnten es kaum erwarten.
Acht Rapper auf der Bühne später kann ich ihren Enthusiasmus verstehen...

Acht, natürlich mit Goldkettchen behängte Poser aus England springen plötzlich auf die Bühen und stehen auch nicht mehr still bis eine Stunde später der Auftritt zu Ende ist. Hip Hopper mit Kondition? Das ist nicht die einzige Besonderheit bei „Goldie Lookin Chain“. Die Charaktere der Rapper scheinen völlig unterschiedlich: Von dick und gemütlich für die gediegene Basslinie über übermäßig groß und schlank für ungewöhnlichste Verrenkungen bis klein und groovy für die fixen Textzeilen ist alles dabei. Ständiges Gewusel auf der Büne bestimmt das Bild, nur der jeweils gerade Rappende ist im Vordergrund um von den anderen nicht irritiert zu werden. Oder werde ich nur irritiert?! Acht Leute, die ständig hin und her laufen machen einfach kirre. Das ändert aber nichts an der musikalischen Präzision, mit der die Goldjungs beeindrucken.

Ihr Hit „Guns Don’t Kill People, Rapper Do“ ist live noch viel fetter als auf Platte! Das bei einem Hip Hop-Gig ein besserer Beat benutzt wurde als auf Tonträger und die Rapper noch motivierter an die Textzeilen rangingen als wir gewohnt sind, habe ich nicht erwartet. Hiermit ging dann auch ein Konzert zu Ende, das 200 Zuschauer mehr vertragen hätte, was den Künstlern auf der Bühne allerdings keinen Abbruch an ihrer Motivation getan hat.

Danke, Goldie Lookin Chain und Puppetmastaz für diese wahre Undergroundhappening!
(Cornelius Kämmerling, eldoradio*)

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