Bochum Total - ein Eindruck des ersten Tages
Bochum, eine Stadt über die Nicht-Bochumer denken, man sähe jeden Morgen in der Bahn Männer mit schwarzen Gesichtern, die grade von der Schicht aus dem Schacht kommen. Fakt ist, dass ich in meinen vier Jahren Bochum noch nie sowas gesehen habe. Zweites Vorurteil: Ruhrgebietsprolls. Das kann ich bestätigen...zumindest einmal im Jahr, denn immer im Sommer, während des Bochum Totals tritt dieses Phänomen verstärkt auf. Deswegen schenke ich mir dieses Riesenbesäufnis inklusive der einen oder anderen Schlägerei eigentlich gänzlich, zumal ich bei offenem Fenster eh das Meiste mitbekomme. Dieses Jahr ließ ich mich aber von Kollegin Claudia Eckes breitschlagen wenigstens den ersten Tag mitzumachen. Gut Kampfausrüstung bereit, angelegt, vor die Tür.
Kurz vor 17 Uhr:
Gelände betreten. Ganz schön leer und schon das Erste Nahkampferlebnis mit den Bochumer Rentnern. Diese haben es sich nämlich zur Aufgabe gemacht bei Bochum Total für die Sicherheit der Besucher zu sorgen, indem sie die Bierflaschen einsammeln und dafür den Pfand kassieren. Dabei sind sie aber immer höflich und fragen nach, ob das auch in Ordnung so ist. Kurz Oma bestätigt, dass es schon okay ist und die Bierflasche auch nicht mir gehört, dann Claudia entdeckt und festgestellt: Verdammt wir sind mit die Ältesten. Sind doch weit und breit fast nur Schüler zu entdecken, die eigentlich noch kein Bier trinken dürfen es aber trotzdem tun. Wahlweise tut´s auch eine Flasche Cidre oder die 1,5 l-Flasche Sangria. Lecker!
Geplant war Anajo zu gucken, und dann weiterziehen. Auf der Suche nach einem fähigen jungen Mann, der Bierflaschen mit nem Feuerzeug öffnen kann (das theoretische Prinzip der Hebelwirkung habe ich ja verstanden, nur mit der Praxis hapert es noch), erstmal über Tommy Finke gestolpert, der schon ziemlich gut bei der Sache war - ja Umarmung gibt´s für dich immer! und Einladungen für´s nächste Konzert einkassiert.. Bochum Total ist auch immer der melting pot, bei dem man alle Menschen, die man ewig nicht mehr gesehen hat wiedertrifft. Da sich Anajo in Bochum verfahren haben (ich frage mich wie) läuft der Soundcheck um kurz nach 17 Uhr noch. Genug Zeit den Jungs von Nova International (auch Augsburger, wie Anajo) guten Tag zu sagen und sie noch mal zu ihrem Auftritt, der wenig später sein wird zu beglückwünschen. Schließlich spielen sie nach Elli (die Gewinnerin von DSDS) und wenn das kein Ritterschlag ist....
Mit einer Viertelstunde Verspätung fangen Anajo an zu spielen, vor einem ziemlich übersichtlichen Publikum zugegeben, aber trotzdem überzeugen sie auf voller Linie: stimmlich, musikalisch, menschlich. Kurzer Gruß an die Novas und erste Mädchen rasten aus, was sich später noch stärker abzeichnen soll. Neben Songs wie "Honigmelone", "Sonne über Haunstetten"und "Lang lebe die Weile" dürfen natürlich auch die Singles "Ich hol dich hier raus", "Monika Tanzband" und "Vorhang auf" nicht fehlen. Insgesamt zwar durch die Verspätung zu Kurz geraten, aber trotzdem schicker Auftritt. Da ist es auch zu verzeihen, dass man sich kurzzeitig in Dortmund wähnte. Böse nehmen kann man es ihnen aber nicht, schließlich wurden sie von dem Vorurteil befreit im Ruhrgebiet wäre alles grau, denn "es ist ja doch ganz schön grün hier".
Kurz nach 18 Uhr:
Weitergezogen, häßliche Blumenketten beguckt. Bei diesen Dingern frage ich mich immer warum die Leute die kaufen und wann sie die denn tatsächlich tragen. Aber beim Bochum Total darf man nicht nach dem Sinn fragen. Nach einigen Hin und Her hatten wir uns geeinigt Jupiter Jones anzutesten. Hier war das Publikum schon subkulturiger. Schwarze Klamotten, Iro und Make-Up wohin man schaut. Ganz kurz zu Jupiter Jones: nach einem halben Song machten wir uns wieder auf den Weg - Musik: super - Gesang: geht so....
Also auf zum nächsten Highlight: Elli! WDR 2-Publikum und Sonnenschirme versperrten die Sicht auf die Bühne, verdammt! Bier geholt hingesetzt und zugehört. Tolle Stimme hat sie ja, aber die Songs! Und die Ansagen! Würgreiz macht sich breit, aber es ist ja bald vorbei.
Kurz nach 19 Uhr:
Sitzplatz am Brunnen vor der WAZ-Bühne gesichert, denn Nova International spielen unplugged und da ist Pogo nicht so angebracht. Schon während des Soundchecks baut sich eine Gruppe 14-16jähriger Teens vor der Bühne auf, geballt vor der Stelle, an der Sänger Michi gleich sitzen wird. Erstaunt stelle ich fest, dass die Novas ne richtige Mädchen-Band sind. Bravo-Kompatibilität mit 100 von 100 Punkten zumindest optisch voll erfüllt. Konzert war, wie es nicht anders zu erwarten, ein Knaller. Gute Akustikversionen der eigenen Punkrock-Songs (das habe ich mir nicht ausgedacht, die Jungs bezeichnen sie selber so) und immer wieder Sidekicks auf Elli, die scheinbar nicht mehr in der Nähe war. Auch die Security wurde immer wieder nach dem werten Befinden gefragt. Sänger Michi stellte mal wieder unter Beweis, dass Musiker doch gefährlich leben - nachdem er sich beim Radiokonzert für die CampusRadios NRW in Düsseldorf fast die Schulter ausgekugelt und fast erstickt wäre, schnitt er sich beim Bochum Total in den Finger. Pflaster war aber sofort zur Stelle und der Auftritt somit gerettet. Beim Publikum hatten die Novas aufgrund ihrer charmanten Art, der man nichts abschlagen kann, auf jeden Fall gewonnen und so war es keine Hürde die Leute bei "Bond Girl" zum Chorgesang zu bewegen. Gesamturteil (auch wenn ich befangen bin): Sie sind der Meinung das war Spitze!
Nach diesem fulminanten Auftritt die biologischen Grundbedürfnisse befriedigen: Essen, Trinken und den Rest und dann Sioen gucken. Das Album "Ease Your Mind" hatte schon so einiges versprochen: Abwechslung, Piano, Violine und sperrige Soundstrukturen. Eigentlich nicht unbedingt passend für die WAZ-Bühne, aber mal schauen, wie die Leute reagieren. Das Set bestand zum Großteil aus Songs der neuen Platte und war umwerfend vorgetragen. Jetzt verstehe ich auch, warum sie in Belgien so erfolgreich sind. Leider sind Soien in Deutschland noch nicht richtig wahrgenommen worden, was sich aber schleunigst ändern sollte, denn der Auftritt hat bewiesen, dass die Band es wirklich drauf haben das Publikum für sich zu begeistern. Zugabewünsche konnten leider aufgrund des Lärmschutzes nicht erfüllt werden, aber nach diesem Auftritt ist jedes Sioen-Konzert in der Gegend absolute Pflicht!
Mein Fazit des ersten Tages: Große Bands, Publikum noch nicht ganz so besoffen, wie erwartet und mit der richtigen Begleitung auf jeden Fall die richtige Entscheidung hinzugehen. (Sandra Zapke, CT das radio)