Annäherung ist das programmatische Ziel des Approximation Festival. Bereits seit 2005 laden Volker Bertelmann (Hauschka) und Aron Mehzion jährlich Musiker und Komponistin, die sich durch experimentierfreudige Ansätze und spartenübergreifende Klänge auszeichnen, nach Düsseldorf in den Salon des Amateurs ein. Dabei geht es beim „Approximation Festival“ um Avantgrade, Virtuosität und Grenzüberschreitung. Im Zentrum der musikalischen Auseinandersetzung steht als „Königin der Instrumente“ das Klavier – ohne es jedoch zu verklären, werden die Potentiale des Instruments ausgeschöpft. In den Begegnungen mit unterschiedlichen Musikstilen wird nach neuen Klängen und Hörerlebnissen gesucht. So entstehen spannende Fusionen aus Klassik, Neuer Musik, Jazz, Lounge, Dub und Techno. In diesem Jahr erprobt das Approximation Festival zusätzlich eine Annährung der etwas anderen Art, indem es an zwei von sechs Abenden die Konzerte außerhalb des Salon des Amateurs verlegt und sich damit einem größeren Publikum öffnet. Mit großem Erfolg! Denn sowohl das Konzert von Steve Reich in der Tonhalle als auch das Konzert von Francesco Tristano und Moritz von Oswald im Auditorium des K20 waren mehr als nur gut besucht. Und zwar von einem spartenübergreifenden Publikum, was ein guter Indikator dafür ist, dass das Konzept aufgegangen ist und das Echo gegenüber dem Festival gewachsen.
Mit Gästen wie Michael Nyman, Philip Corner, Johann Johannsson hat das Approximation Festival schon in den vergangen Editionen berühmte Persönlichkeiten nach Düsseldorf gebracht und auch in diesem Jahr wird diese Tradition beibehalten. Den Auftakt des Festivals bot nämlich niemand geringeres als der „Pionier der Minimal Music“ Steve Reich. Gemeinsam mit dem Ensemble Modern und Synergy Vocals lies es sich der Komponist und Multiinstrumentalist nicht nehmen die Bühne der Tonhalle selbst zu betreten, um bei den eigenen Werken mitzuspielen. In seiner obligatorischen Kappe den Saal betretend wurden Steve Reich und seine drei Musikkollegen mit einem warmherzigen Applaus empfangen. Nach dem die vier Bongotrommeln auf ihre Stimmung hin überprüft wurden, konnte das erste Stück „Drumming“ beginnen. Für „Drumming“ hat sich Reich durch die afrikanische Trommelmusik während seiner Reise nach Ghana inspirieren lassen. Als das Stück dann vor etwa 40 Jahren in der Düsseldorfer Galerie Hans Mayer uraufgeführt wurde, waren die repetitiven Rhythmen durchaus eine Neuheit. Heutzutage ist diese kompositorische Praxis vor allem auf dem Bereich der elektronischen Musik längst eine gängige Methode. Von Monotonie kann bei „Drumming“ aber nicht die Rede sein: immer wieder verschieben sich die rhythmischen Patterns und variieren durch die verschieden gestimmten Bongo so auch melodisch. Die Musiker schienen das höchst präzise Spiel mit Leichtigkeit zu meistern und spielten nicht nur im Quartett, sondern auch im Trio und Duo. Es war ein mobilisierender, antreibender Start in den Abend und aber vor allem ins Approximation Festival.
Weiter ging es dann mit „Music for 18 Musicans“, welches ein reicheres Spektrum an Instrumenten umfasst: Klaviere, Xylophon, Metallophon und Marimbas, Violine und Cello, Percussion Instrumente, Klarinetten sowie vier Vokalstimmen. „Music for 18 Musicans“ ist mit seinen harmonischen Wohlklängen ein sehr schönes Hörerlebnis gewesen, dass in gewisser Weise das musikalische Pendant zu Kaleidoskopen sein könnte. Jedes Instrument hat sein eigenes Pattern, das immer wieder zum Vorschein kam und je nach Kombination mit den anderen Patterns einen anderen Klang ergab. So entstand sich ein vielschichtiger, facettenreicher Sound, deren einzelne Klangquellen man auf der Bühne verfolgen konnte. Ließ man sich jedoch auf das große Ganze ein, verschmolzen die hölzernen und metallischen Klänge zu fließenden Wogen von bezaubernder Sonorität. Als besonders beeindruckend sind die Synnergy Vocals hervorzuheben. Immer wieder schwollen die vier Gesangstimmen gleichzeitig oder im Kanon an und sorgten für eine erhabene Nuancierung. Standing Ovations für den 75-jährignen Vertreter der Minimal Music Steve Reich und das Ensemble Modern & Synergy Vocals!
Für das zweite Auswärtspiel sorgten dann Francesco Tristano und Moritz von Oswald im Auditorium des K20. Als Grenzgänger zwischen Konzerthaus und Club, Piano und Techno sind die beiden Herren gerade zu prädestiniert für das Approximation Festival, wo sie ihr gemeinsames Album „bachCage“ vorstellten. Während Francesco Tristano für seine DJ-affine Methode bekannt ist, Klavierstücke unabhängig von Epoche oder Stil aneinander zu reihen, ist Moritz von Oswald als ein Teil von Basic Channel in der internationalen Techno- und Dub-Szene berühmt geworden. Und während sich Tristano als klassisch ausgebildeter Pianist den elektronischen Klangerweiterungen zuwendet, hat von Oswald sich der elektronischen Umsetzung klassischer Werke angenommen.
Der Auftritt des Duos im Auditorium war durch eine aufsteigende Dramaturgie geprägt: von einem ruhigen Klaviersolo zu einem lauten Housetrack. Eine Verwandlung, die sich jedoch erst allmählich vollzog. Die von Tristano gespielten Motive schafften den Sprung vom Barocken, übers Impressionistische bis hin Patterns à la Minimal Music. Dabei scheute Tristano in der Improvisation keine Dissonanzen und brachte aus dem Klavier auch percussive Klänge hervor, indem er die Saiten dämpfte. Ganz subtil und geradezu zärtlich umringten von Oswalds Hall-, Rausch-, und Rückkopplungsgeräusche Tristanos Klavierspiel. Immer wieder dehnten sie sich im Raum aus, nur um sich dann wieder zurückzuziehen. Doch als dann die gradlinige Bassline einsetzte, kann von Subtilität nicht mehr die Rede sein. Die Wandlung ist vollzogen. Die elektronisch erzeugten Klänge dienten nicht mehr als Akzente oder Störgeräusche, sondern bildeten selbst eingängige Patterns und wurden so zu einem tragenden rhythmischen Element. Was Tristano und von Oswald an diesem Abend präsentieren, erinnert an eine darwinistische Musikentstehungsgeschichte, die sich sogar im Rezeptionsverhalten einiger Zuhörer wiederspiegelte: als wenige ältere Hörer beim technolastigen Teil des Konzerts den Saal verließen, fingen einige andere junge Besucher mit lautstarkem Jubel an. Der Großteil des vielseitigen Publikums konnte aber anscheinend von einer solchen musikalischen Liaison überzeugt werden. Denn auch hier wurden die Musiker mit Standig Ovations verabschiedet. Mission Annährung gelungen!
(Irina Raskin)